Mein Angehöriger ist depressiv
Dein Angehöriger oder lieber Freund leidet unter Depressionen, und du weißt nicht wie du damit umgehen sollst?
Das Zusammenleben mit einem depressiven Menschen stellt uns vor große Herausforderungen! Wir wollen dem geliebtem Menschen helfen, und müssen geichzeitig aufpassen, dass wir uns nicht mit in den Strudel hineinziehen lassen, und stark bleiben.
In diesem Artikel findest du wertvolle Tipps, Aufklärung und pragmatische Hilfestellungen für den Umgang mit depressiven Menschen, die du liebst.
Hilflose Helfer für depressive Menschen
Wenn ein geliebter Mensch an Depressionen erkrankt ist, hinterlässt das bei den meisten Menschen eine große Ohnmacht.
Alles was wir tun, scheint verkehrt zu sein, der depressive Mensch ist für uns nicht mehr wirklich greifbar, und signalisiert uns, dass keine Hilfestellung erwünscht, oder sowieso sinnlos ist.
Dennoch würden wir so gerne etwas tun, helfen, lindern. Wenn wir hilflos daneben stehen, ist es für uns nur noch schwerer zu ertragen.
Aber nur Mut: Es gibt sehr wertvolle Hilfestellungen, die euch beiden gut tun!
Was du unbedingt wissen solltest:
Es gibt mindestens 4 wichtige Dinge, die bei jeder Depression vorhanden sind, je nach Phase mehr oder weniger ausgeprägt.
- Schuldgefühle: Der Mensch fühlt sich schuldig!
Er macht sich viele Vorwürfe, weil er aus seiner Sicht nicht funktioniert, andere verletzt, eine Belastung ist. Je nachdem, wie schlimm ausgeprägt die aktuelle Phase ist, fühlt er sich vielleicht sogar schuldig, dass er überhaupt noch da ist. - Sinnlosigkeit: Nichts macht wirklich Sinn!
Für ihn bedeutet Leben häufig nur noch funktionieren und durchhalten. Das einzige Ziel was ihm wirklich etwas bedeutet ist, dass es endlich aufhört. Die depressive Phase, der Tag, vielleicht sogar das Leben selbst. Normalerweise weiß er, dass diese Phasen zeitlich begrenzt sind, und irgendwann wieder besser werden, aber fühlen kann er es in dieser Zeit nicht. - Einsamkeit: Ein Depressiver fühlt sich von Allem abgeschnitten!
Ein großes Thema bei Depressionen ist Bindungslosigkeit. Selbst wenn er unter Menschen ist, fühlt er sich total einsam. Er kann keine befriedigenden Beziehungen zu anderen Menschen halten, nicht mal zu sich selbst. Er spürt sich nicht mehr richtig, und hat den Kontakt zu seinem innersten Wesen verloren. - „Verbotene“ Gefühle: Aggression, Wut, Verachtung…
Wenn er nicht schon alle Emotionen verloren hat, dann sind diese „schlechten Gefühle“ meist das Einzige, was er noch wirklich spürt. Und er wird versuchen, dies bestmöglichst zu unterdrücken. Gelingt ihm das nicht ausreichend, dann wird zumindest eine starke Gereiztheit zu Tage treten.
Außerdem haben Depressionen unterschiedliche Phasen, je nach Diagnose und Ausprägung. Für jede Phase sind andere Unterstützungen angesagt!
Der Einfachheit halber unterteile ich das ganz pragmatisch:
- Gute Phasen: Fast jeder Depressive hat Phasen wo es ihm gut geht. Manchmal ist er dann so überschwänglich, dass er alles Versäumte nachholen will, und alles erledigen möchte, was in den schlechten Phasen nicht möglich war.
- Mittlere Phasen: Er spürt, dass die Depression sich zeigt, und versucht vielleicht noch krampfhaft, sie irgendwie aufzuhalten. Wahrscheinlich reduziert er sein Leben jetzt auf reines Funktionieren, empfindet aber keine Freude mehr. Er hat keinen Zugang mehr zu den „guten“ Dingen des Lebens, wie lachen, lieben, Lust, Genussfähigkeit oder Befriedigung.
- Schlechte Phasen: Nun geht praktisch gar nichts mehr, nicht mal mehr das Funktionieren. Es ist ihm alles egal, alles wird vernachlässigt. Mitmenschen, Haustiere, Haushalt, Körperpflege, die Selbstfürsorge ist ihm nicht mehr oder nur im geringem Umfang möglich. Sein Organismus ist herunter gefahren und konzentriert sich nur noch auf Überleben, Vitalität scheint auf allen Ebenen verloren gegangen zu sein.
Noch einmal: Jede Phase braucht andere Hilfestellungen!
Wenn du das Richtige zur falschen Zeit tust, wird es die Lage nicht verbessern. Wahrscheinlich auch nicht verschlimmern, aber für DICH ist es deprimierend, wenn du siehst, dass du etwas Nutzloses getan hast. Deshalb ist es wichtig, dass du die unterschiedlichen Zustände verstehen und kennenlernst.
Kannst du nachvollziehen, wie es deinem Liebsten geht? Hier habe ich einen Artikel, der einige Aspekte davon beschreibt: Wie fühlen sich Depressionen an?
Wichtige Regeln für den Umgang mit Depressiven
1. Du bist NICHT schuld!
Es ist extrem wertvoll und wichtig dass du da bist, und deinem lieben Menschen beistehst! Insbesondere Kindern kann man das nicht oft genug sagen.
Möglicherweise hast du etwas getan, was im Nachhinein als Auslöser für eine Episode gehalten werden könnte. Aber sei dir gewiss, es hätte genauso gut jemand oder etwas anderes sein können. Die Depression ist SEINE Krankheit, und du kannst nichts dafür. Sie ist schon sehr lange in ihm angelegt, und kam halt irgendwann zum Ausbruch. Du hättest es nicht verhindern können!
2. Du kannst ihn nicht retten!
Versuche es erst gar nicht. Therapieren kann ein Therapeut mit entsprechender Ausbildung, aber heilen kann der Mensch nur aus sich heraus. Und JA, ich gehe davon aus, dass das möglich ist!
Aber du kannst dafür sorgen, dass die Umstände dafür ideal werden, genau hier ist dein Einsatz gefragt.
3. Mach nicht alles allein!
Falls irgendwie möglich, suche nach Mithilfe. Viele Menschen wollen helfen, die wenigsten wissen was sie tun können. Es gibt so viele Kleinigkeiten, die wertvoll sind. Versucht eine Art Netzwerk um den Erkrankten herum zu etablieren, nicht zu viele Menschen, aber 2-3 Leute als engere Bezugspersonen wären toll! So könnt ihr euch auch untereinander austauschen, wenn es Probleme gibt, ohne das der Depressive sich selbst darum kümmern muss.
4. Du bist derjenige, der die Bindung aufrecht erhalten kann!
Der Depressive kann keine Bindungen halten, deshalb ist es so immens wichtig, dass es Menschen wie dich gibt, die dafür sorgen, dass eure Verbindung in schlechten Zeiten nicht reißt. Das bedeutet nicht, dass du immer für ihn da sein musst. Aber wenn der Erkrankte weiß, dass du nicht verloren gehst, obwohl er so scheiße drauf ist, dann gibt ihm das Sicherheit.
Wenn du mit diesem Menschen nicht tief verbunden bist, dann artet es in Verpflichtung aus, und schadet euch beiden.
Sei ehrlich mit dir selbst, und tu nur, was du wirklich aus deinem Herzen heraus machen möchtest.
5. Depression braucht Raum
Diese Krankheit ist ein Gegenteil von Freiheit, sie nimmt einem den Raum für freie persönliche Entscheidung und Gestaltung. Darum ist es sehr wichtig, dass der Depressive einen Rückzugsort hat, einen Raum der nur ihm gehört. Wenn die Wohnverhältnisse ein eigenes Zimmer nicht zulassen, dann versuche einen Bereich zu schaffen, der diesem Rückzug vorbehalten bleibt. Dieser Raum wird nicht nur in Krankheitsphasen wichtig sein. In guten Zeiten kann ein Mensch mit Depressionen sehr kreativ sein, und er braucht einen Ort, wo er das ausleben kann. Demzufolge sollten an diesem Ort neben bequemen Möbeln auch Platz für die Dinge sein, die wichtig sind, um diese Kreativität ausleben zu können.
Wenn das alles nicht geht, dann überlasse deinem Angehörigen für die Zeit der Episode vielleicht das gemeinsame Schlafzimmer, zumindest tagsüber.
Menschen die alleine wohnen haben ihren alleinigen Raum. Aber dennoch ist es wichtig, dass du sie dort ab und an besuchst. Besprecht in guten Zeiten, ob es sinnvoll ist, einen Ersatzschlüssel zu haben. Denn es kann Tage geben, da wird ein depressiver Mensch die Türe nicht öffnen können oder wollen. Er geht dann auch nicht an´s Telefon, und schon gar nicht bittet er um Hilfe.
Damit deine Hilfestellung nicht übergriffig wirkt:
6. Hilfe nur da, wo Hilfe gebraucht wird
Wenn eine Depression ihren Tiefpunkt erreicht hat, dann kann man mit dem Betroffenen nichts besprechen oder abklären, er wird alles ablehnen oder für sinnlos erachten. Deshalb ist es unerlässlich, dass ihr bestimmte Dinge vorher, in einer guten Phase, besprecht.
Vielleicht möchte dein Angehöriger in guten Zeiten nicht über die Depression sprechen. Das ist absout nachvollziehbar, aber in Anblick der Option, dass sie wahrscheinlich wieder kommt, nicht hilfreich. Denn jetzt kann er entscheiden, was gut für ihn ist, was er an Hilfe annehmen möchte, und was er überhaupt nicht leiden mag. Auch können in guten Zeiten Besuchsabstände festgelegt werden, z.B. „Ich komme alle 3 Tage mal kurz vorbei, zur Not mit deinem Ersatzschüssel. Wenn alles ok ist, dann gehe ich auch gleich wieder.“
7. Carpe Diem
Nutzt die guten Phasen! Depression hat auch ihre guten Seiten!
Die Betroffenen wissen sehr viel über das Leben und seine Tiefe. Sie sind tolle Gesprächspartner und anderen gegenüber in den freien Zeiten sehr mitfühlend und empathisch.
Natürlich ist es nicht ratsam sie als seelische Mülleimer zu missbrauchen, aber wenn du nicht mehr weiter weißt, dann hat ein solcher Mensch mit Sicherheit tiefstes Verständnis, kann zuhören und weiß hilfreiche kluge Dinge zu sagen. Er erlangt durch seine Erkrankung sehr häufig eine tiefe Lebenserfahrung und Weisheit.
Außerdem solltest du es dringend ermöglichen, dass der Betroffene in guten Zeiten etwas zurück geben kann.
Wenn er dir Hilfe anbietet, dann nimm sie an! Versuche nur abzuschätzen, ob er sich mit dieser Hilfestellung vielleicht überfordert. Möglicherweise will er zu viel helfen. Aber gehe davon aus, dass es Dinge gibt, die genau seinen Resourcen entsprechen.
Lasse nicht zu, dass ein Ungleichgewicht entsteht! Denn dies führt auf Dauer zum Verlust der Bindung.
8. Hoffnung nicht aufgeben!
Meiner Erfahrung nach ist eine Heilung möglich!
Wer daran nicht glauben kann: Ein Leben mit Depression lässt sich händeln!
Mit der richtigen Begleitung kann eine gute Lebensqualität erreicht, und die Sinnhaftigkeit wiedergefunden werden.
Du, als liebender Angehöriger oder sehr guter Freund, bist ein wesentlicher Bestandteil davon.
Integration ist das Zauberwort! Wenn alles sein darf, entsteht Freiheit.
Tipps und Vorschläge für konkrete Hilfe
Wie oben erwähnt, sind wirkungsvolle Hilfestellungen von den unterschiedlichen Phasen der Depression abhängig.
In der guten Phase:
Jetzt ist die Zeit, um Bedürfnisse abzuklären und konkrete Maßnahmen zu vereinbaren!
Ansonsten gibt es nicht viel zu helfen, du kannst aber darauf achten, dass der Betroffene sich nicht übernimmt. Der Drang nach Leben ist jetzt sehr hoch, es wollen die unerledigten Dinge getan werden. Die Motivation ist hoch, und damit steigt die Gefahr, dass zu viel gearbeitet wird, was schnell eine Erschöpfung bewirkt und einen neuen Schub auslösen kann.
Mische dich nicht zu viel ein, aber erinnere gelegentlich daran, dass die Energiereserven nicht unendlich sind, auch wenn es sich für denjenigen vielleicht so anfühlt.
Gute Phasen sind auch immer Verarbeitungsphasen!
Hab ein offenes Ohr für alles, was der Betroffene erzählen möchte.
Vielleicht traut er sich nicht, davon zu sprechen? Wenn du diesen Verdacht hast, dann ermutige ihn, sich zu öffnen. Natürlich können das traurige oder ernste Gespräche werden, vielleicht fließen auch eine Menge Tränen, aber es ist ungemein heilsam, wenn der depressive Mensch in´s Gefühl kommt und sich wieder spürt.
Tränen, Worte, das Äußern von dem, was in ihm vorgeht, wirkt wie ein Ventil für diese unsäglichen Zustände der Seele, und sind Teil der Genesung.
Kreativität will jetzt gelebt werden!
Dafür sollte Raum und Material vorhanden sein. Wenn dieses Potential noch nicht gefunden wurde, dann macht euch auf die Suche.
- Malen, Basteln, Heimwerken
Wenn keine Ideen da sind, dann ist Pinterest immer eine gute Anlaufstelle. - Schreiben
Viele Depressive haben ein außergewöhnliches Schreibtalent und bringen wundervolle Texte zu Papier (oder in einen Blog). - Musik
Gemeinsames musizieren, trommeln, singen, aber auch der Besuch von Konzerten macht jetzt Freude. - Sport
Bewegung ist immer gut! Nur achtet bitte darauf, dass kein Leistungsdruck entsteht. Ausgedehte Spaziergänge sind jetzt für Körper und Seele wunderbar. - Beweglicher Geist
Diskutieren und Philosophieren fällt jetzt besonders leicht. Wie wäre es mit dem Besuch eines Diskussionsabends?
Ganz normales Leben ist angesagt! Niemand will wie ein rohes Ei behandelt werden.
In der mittleren Phase:
Möglicherweise ist dies für die Helfer die schwierigste Zeit. Denn der Grad zwischen helfen und nerven ist hier besonders schmal. Der Betroffene ist jetzt häufig gereizt, und fühlt sich alleine deshalb schon schlecht. Er möchte vieles alleine machen, überschätzt aber zunehmend seine Möglichkeiten. Deshalb ist es auch so wichtig, diese Dinge vorab zu klären. Das Funktionieren ist für ihn sehr wichtig geworden. Am leichtesten ist es noch, wenn ihr ihm ganz pragmatisch Dinge abnehmt, die er sowieso nicht mag.
- Bügeln, Kochen, Rasenmähen, Erledigungen …. das ist sehr individuell. Aber immer voher fragen, am besten so ganz nebenbei: „Soll ich dir schnell mal einen Korb Wäsche wegbügeln?“. Voraussetzung ist natürlich, dass diese Tätigkeit nicht auch gleichzeitig deine ungeliebteste Tätigkeit ist, sonst kommt das nicht sonderlich authentisch an. Dann ist es besser, man fragt jemand anderen.
Jetzt ist es besonders wichtig, dass der Mensch sich sicher fühlen kann. Sicher in seinem Sein. Er mag sich grad selber überhaupt nicht, und dann ist es schön, zu spüren, dass andere es trotzdem tun.
- Sicherheit vermitteln, Raum geben, und sich nicht von Gereiztheit beeindrucken lassen. Du bist nicht gemeint! Er ist von sich selbst genervt, und kann das vielleicht nicht so klar ausdrücken, oder ist sich dessen noch gar nicht wirklich bewusst. Deine verlässliche Präsenz (das muss nicht immer direkt vor Ort sein!) schafft den sicheren Rahmen und Halt.
- In Frieden lassen, gereizten Menschen geht man am besten aus dem Weg. Erst in der Ruhe wird sich diese Gereiztheit wieder beruhigen.
- Wut ist ok! Tief unter der Depression liegt häufig ein unterdrücktes, uraltes Aggressionsgefühl, das nie da sein durfte. Wann immer es sich beim Betroffenen zeigt, dann versuche nicht auszuweichen, es wird nicht lange anhalten. Die Erfahrung, dass man wütend sein darf, ist eine wertvolle und heilsame Erkenntnis. Meist folgen danach Tränen und Traurigkeit. Dies ist dann ein Zeichen von einem guten Heilungsschritt. Der Betroffene konnte in Kontakt mit sich selbst treten.
- Vorsichtige Motivierung, mache Vorschläge für kleine Tätigkeiten oder Unternehmungen. Nichts ausgiebiges! Ein 5 Minuten Spaziergang um den Block ist genug. Vermutlich aktiviert es denjenigen dann von alleine, die Sache noch auszudehnen. Kinobesuche sind auch wunderbar, da ist es dunkel, man fühlt sich nicht beobachtet, und wenn der Film Emotionen weckt, noch besser!
- Fünfe grad sein lassen, es muss nicht immer eine perfekte Mahlzeit, Wohnung, Arbeit sein, 50% reichen auch. Ermutigt euren Angehörigen, nicht so streng mit sich zu sein. Man kann auch mal zu Mc Donalds gehen, oder das Auto eine Woche später putzen. Andere Leute machen das auch. Auch hier ist es wieder genial, wenn ihr euch schon geeinigt habt, welche Dinge gut delegiert werden können. Insbesondere auch am Arbeitsplatz wäre es schön, wenn es eingeweihte, hilfsbereite Kollgen gibt!
- Schuldgefühlen vermeiden, ein depressiver Mensch hat Tonnen an Schuldgefühlen. Wenn du ihm also etwas vorschlägst, was er nicht schafft, dann wird er Schuldgefühle bekommen. Er fühlt sich schuldig wenn er nicht funktioniert wie gewohnt, wenn er sich als „nicht sozial verträglich“ fühlt.
Dein „Das ist doch völlig ok!“ muß also wirklich wahrhaftig sein, du darfst ihm nicht übelnehmen, wenn er deine Vorschläge ablehnt! - Ängste mildern, in dieser Phase gibt es sehr viele Ängste, Existenzangst, Angst vor anderen Menschen, Versagensängste, Verlustängste…. Da hilft nur ein klares An- und Aussprechen. Vieles davon lässt sich mildern, in dem man die Angst durch klare Fakten relativiert. Versuche deinem Liebsten klar zu machen, dass er jetzt sehr anfällig für Fehlinterpretationen ist, und lege ihm klare Zahlen oder Tatsachen auf den Tisch. Aber wische seine Gefühle von Angst nicht weg, sie sind ja da! Und es ist wichtig, dass sie gesehen werden.
- „Ich mag dich trotzdem!“ Wenn du so empfindest, dann sag ihm das auch, oder zeige es ihm klar. Immer wieder!
- Sinne anregen, das Hören, Sehen, Schmecken, Riechen und Fühlen unterstützen. Gemeinsames Musikhören oder Filme ansehen, die man in der guten Phase in Playlists gesammelt hat, sind jetzt angesagt. Gutes Essen, Leckereien, aber auch z.B. ein duftender Blumengruß bewirken viel. Auch hier sind wieder die kleinen Dinge die besten! Nicht übertreiben.
Das Wichtigste ist und bleibt die Sicherheit eurer Bindung, und die Ermöglichung des Rückzugs.
Orientiere dich am besten immer daran, wie es für dich sein würde, wenn du lauter Dinge tun sollst, die du nicht magst.
In der schlechten Phase:
Sie muss nicht kommen! Aber wenn sie da ist, dann ist sie nicht zu übersehen. Der Mensch kann nicht mehr. Er mag und kann nicht mehr aufstehen, ist komplett erschöpft, vernachlässigt sich selbst und alles um ihn herum. Jetzt darfst du einfach Dinge tun, ohne ihn zu fragen. Wenn du einen Schlüssel für seine Wohnung hast, dann nutze ihn, wenn er die Tür nicht aufmacht. (Voraussetzung, ihr habt das vorab so vereinbart!)
Komm einfach auf einen kurzen Besuch vorbei und seh nach dem Rechten. Schnapp dir den Staubsauger, räum die Pizzakartons weg, putze das Bad oder die Küche kurz durch. Denn der vernachlässigte Wohnraum ist nicht nur unhygienisch, er fördert auch seine Versager-Gefühl. Auch ein frisch überzogenes Bett ist gut für das Wohlbefinden, mach einfach, ohne Kommentar – einfach tun.
Gute Playlists und ein wohl sortiertes Kontingent an Lieferservice-Bestellscheinen für Essen sind jetzt Gold wert. Eine Notfallliste habe ich hier zusammengestellt: 10 Dinge die du an ganz schlimmen Tagen tun kannst
Aber am wichtigsten ist auch hier wieder: Ruhe! Der Mensch braucht seine Ruhe. Du solltest nur sicherstellen, das nichts passiert.
Erwarte nichts von ihm, aber nimm alles an, was von ihm kommt. Wenn er reden mag, dann redet. Vielleicht mag er auch nur ein bischen gestreichelt werden, oder aber er kann keinerlei Berührung ertragen. Das muss man ausprobieren. Es gibt bei YouTube Videos zum Thema „Free Hugs“. Vielleicht mag er so etwas ansehen, und es holt ihn aus seiner körperlichen Erstarrung und schenkt ihm etwas Geborgenheit ohne selbst berührt zu werden.
Hauptsache du signalisierst, dass du da bist! Warte nicht auf seinen Anruf, oder sein Fragen nach dir – geh einfach hin. Unaufdringlich, aber beständig. Den zeitichen Rhythmus legt ihr vorher fest.
Auch wenn er körperlich sehr bewegungslos ist, du kannst davon ausgehen, dass seine Gedanken rasen! Sein Verstand ist beständig damit beschäftigt, ihn vor noch mehr Problemen zu warnen, sich schlimme Folgen auszumalen, oder an unangenehme Ereignisse zu erinnen. Wirkliche Beruhigung schenkt nur der Schlaf, so er denn kommt. Deshalb ist eine milde Ablenkung manchmal ganz gut. Aber häufig braucht es einfach nur Stille, friedliche Stille.
Wenn Kinder im Haus sind, dann sollte spätestens jetzt ein gutes Netzwerk greifen. Hole die Kinder so oft wie möglich aus der Situation heraus, es ist für sie unerträglich das Elternteil in dieser Apathie zu erleben. Zudem projizieren sie es oft auf sich selbst, sie denken sie wären schuld daran, daß Mama oder Papa so ist.
Man kann ihnen das gar nicht oft genug erklären! Wenn sie groß genug sind, dann haben sie vielleicht Freude daran, bestimmte kleine Aufgaben zu übernehmen, und mithelfen zu dürfen. Aber keinesfalls sollte das zu ausgiebig sein. Sie müssen wissen was los ist, sie sollen es auch ein Stück weit miterleben, aber sie brauchen dringend unbeschwerte Zeit bei Freunden, Oma und Opa, oder bei anderen fürsorglichen Erwachsenen.
Auch diese Phasen werden wieder vorüber gehen. Und je sicherer und gebundener sich der depressive Mensch fühlt, desto schneller ist der Spuk wieder vorbei!
Ich habe kein Rezept für Heilung, aber ich habe erfahren dass es möglich werden kann – gebt auch ihr die Hoffnung nicht auf!
Wenn du noch weitere Tipps hast, oder Fragen zum Thema, dann hinterlasse doch bitte unten einen Kommentar. So hilfst auch allen anderen Lesern.
Vielen Dank, dass du bis hierher gelesen hast!
Ich freue mich immer riesig über Kommentare und beantworte sehr gerne deine Fragen.
.
Liebe Barbara, ich danke dir sehr für diesen Artikel! Ich habe ja einen ganz nahestehenden Menschen, der Depression hat und sehr vieles, was du schreibst, trifft den Nagel auf den Kopf. Bei ihm ist es nur so, dass er keine guten Phasen hat, sondern die dysthyme Form, in der die schlechte Phase permanent besteht. Das ist besonders schwer.
Dann so etwas zu lesen von einem Menschen wie dir, der weiß, wie sich das alles anfühlt, ist schon tröstlich und hilfreich. Einfach um immer wieder ein Stück mehr Verständnis zu bekommen und entsprechend handeln und reagieren zu können.
Danke <3
Herzlichst, Corinna
Liebste Corinna,
Danke für dein Teilen! Ich bin froh, wenn dir das eine kleine Stütze gibt. Es ist so gut, dass du einfach da bist, dass ihr einfach da seid! Er ist in den besten Händen <3