Des Lebens müde - vom dichten Grau der Seele
Da sind sie wieder, die Tage voller Schwere und Enge.
Es beginnt mit kaum merklichen Blasen des Vakuums, hie und da ein müdes Aufseufzen – Leere für ein paar Momente, vorüber gehend. Wenn du aufmerksam bist, registrierst du es als kurze tiefe Müdigkeit ohne Inhalte.
Sieh dich vor, meine Seele – Sei achtsam.
Übersehen, übergangen, nicht aufgepasst.
Die Atmosphäre verdichtet sich, immer öfter, immer länger, immer tiefer.
Die Minuten und Stunden in denen du dich aus dem Leben klinkst werden länger und schwerer, du beginnst zu realisieren, dass es wieder mal so weit ist:
DEPRESSION.
Ein Ausflug ins Lateinische:
DEPRIMERE (Verb)
deprimo, deprimere, depressi, depressus
NIEDERDRÜCKEN
3. Person Plural, Indikativ, Perfekt, Aktiv
VIELZAHL VON AUSSEN BEFIEHLT DIR AKTIV NIEDERGEDRÜCKT ZU SEIN,
IN ABSOLUT VOLLENDETER GEGENWART
Ja – so fühlt es sich an. Wie wahrhaft doch Sprache sein kann
Depressionen sind Schwere
Es ist, als ob die Luft um dich herum auf einmal zähflüssig wird. Atmen fällt schwer, bewegen wird schwer, das Leben fällt schwer. Auch die Gedanken werden schwer, schwermütig.
Und jeden Tag zieht sich das Lebendige ein Stückchen mehr in deinen innersten Kern zurück. Die graue Zähigkeit hat vom Außen ins Innen übergegriffen. Das Blut wird viskös und kämpft sich durch deine Adern. Noch kämpft dein Herz verzweifelt gegen die wachsende Übermacht der grauen Niemands-Armeen in deinem Körper.
Du tust, was du tun musst, Aufgeben ist keine Option.
Routinen und Pflichten strukturieren deinen Tag, sie halten dich in der Normalität, wenn schon lange nichts mehr normal ist.
Aber irgendwann streckt auch der letzte hoffnungsvolle Impuls die Waffen nieder und du gibst dich hin, wehrst dich nicht mehr. Gefühle waren einmal, Existieren IST.
Das einzige was noch flüssig läuft ist das Denken.
Du haderst, du suchst die Schuld und nimmst sie auf dich – wieder ein Stück schwerer geworden. Schuld wiegt immer schwer – viel zu schwer.
Schuldgefühle und Selbstekel
Du hast wieder irgendetwas falsch gemacht. Auf homöopathisch heißt das: Wahnidee, er/sie hätte ein Verbrechen begangen.
Etwas übersehen, etwas NICHT getan, zu wenig von irgendetwas anderem getan – Schuld, Scham, Selbstekel.
DEPRESSION STINKT, der Körper beginnt merkwürdige Gerüche abzusondern, unabwaschbar. Dein Stoffwechsel ist so zäh geworden, dass die Inhalte deines Körpers faulig werden, SCHMODDER IN JEDER ZELLE. Ekel wird ein zentrales Gefühl – das einzige was du neben Schuld und Scham noch fühlen kannst.
Manch einer denkt, Depression hätte was mit Traurigkeit zu tun.
MITNICHTEN – wie dankbar wärst du in diesen Zeiten um Trauer oder Schmerz – dann würdest du noch fühlen, dass du was vermisst.
Du aber fühlst nichts mehr, vermisst nichts mehr – du bist nur noch müde und fragst dich warum du eigentlich existierst.
Der Kampf deines Lebensfunkens mit der Übermacht der Schwere hat dich erschöpft.
STERBEN WÄRE SCHÖN, ein Ende wär schön. Kann das nicht alles endlich aufhören? Was für einen Sinn soll der Rest deines Lebens noch haben? Vegetieren? Pflichten mehr recht als schlecht erfüllen?
ES WIRD ALLES SO EGAL, du denkst nur noch daran, wie schön es sein muss zu sterben, das Ende dieses mühsamen Lebens endlich zu erreichen – eine Verheißung von schlussendlicher Glücksseeligkeit.
LEBEN IST HOHN, Leben verarscht dich, Leben haben nur die anderen – du hast scheinbar kein Recht mehr darauf – irgendetwas falsch gemacht – Leben verspielt.
Oder gar Liebe? Zynisches Lachen dröhnt in dir – DU DOCH NICHT!
Wer gewinnt?
Du bist inzwischen genauso grau wie dein Inneres, und man bemerkt dich nicht mehr. DU BIETEST KEINE RESONANZ FÜR DAS LEBEN, deswegen zieht es an dir vorbei. Es meidet dich sogar, um nicht von diesem schwarzen Loch des Nichts angezogen zu werden.
DEPRESSION IST ANSTECKEND, sie verpestet mit ihrem Gestank die Luft und die Schwingung all derer, die dir nahe stehen – noch mehr Schuld.
IST DENN DA NIEMAND MEHR?
Merkt es denn keiner? Niemand der dich aus dieser Hölle holt?
Wartest du auf den edlen Ritter, der dich befreit? Pillen, die dir den Anschein erwecken sollen, dass es weiter geht? Psychologen und Psychiater, die dir zur Seite stehen?
Mit Liebe hat das nichts zu tun, Profession liebt nicht, sie ist mitfühlend professionell. Mitgefühl ist nett – aber keine Liebe.
DEPRESSION VERTREIBT DIE LIEBE, UND NUR DIE LIEBE KANN DEPRESSION VERTREIBEN.
Teufelskreis – wer liebt schon einen Depressiven? Am wenigsten du selbst.
Du hast die Liebe zu dir und zum Leben verloren, und stößt von dir, wer es dennoch versucht! Schließlich hast du keine Liebe mehr verdient – zuviel Verachtung.
Hoffnungsschimmer Liebe?
Oder doch nur verlegt? Sollte sie noch irgendwo in dir vorhanden sein? Spür hin!
Seele ist doch Liebe oder? Liebe, die das Leben um seiner Selbst liebt.
DU ATMEST NOCH, ALSO LEBST DU NOCH. Und dann muss dieser Funke ja noch irgendwo sein.
Mach dich auf die Suche. Vergiss die Suche nach dem Sinn, dem Warum und nach dem Leben, beschränke dich auf die Suche nach dem Funken der Liebe in deinem tiefsten Innen. Liebe IST – solange wie du noch atmest ist sie auch in dir.
Vielleicht hältst du jetzt die Luft an, denn du hast weder Lust noch Kraft übrig.
Aber du wirst sehen – Liebe fordert den nächsten Atemzug, und den nächsten, und den übernächsten.
Willst du dich wirklich dagegen wehren?
Dich wehren, der Liebe ihren Raum zu lassen?
Gib auf! Hör auf zu denken, fang an zu spüren.
Beobachte wie Liebe wächst – ganz von alleine. DU MUSST NICHTS TUN – NUR GESCHEHEN LASSEN.
Es ist wie die Kerze in einem dunklen Saal, SIE zieht die Blicke auf sich, wärmt und leuchtet – du musst nur hinsehen. Den Augen und dem Herzen gestatten sich zuzuwenden, und alles andere zu lassen – auch das Denken. SIEH HIN
Disziplin mal anders
Depression kann nur mit Liebe heilen – Liebe und Disziplin.
Disziplin NICHTS mehr zu müssen, sich nicht mehr zu wehren, nicht mehr kämpfen, nur noch lauschen, sehen und sich hingeben.
Disziplin nicht mehr zu denken, sondern bewusst zu fühlen.
HINGABE an das, was als allerletztes geht, NOCH NACH DER HOFFNUNG. Denn nicht die Hoffnung stirbt zuletzt – das hat jemand erfunden, der noch nie depressiv war.
LIEBE stirbt zuletzt, zu allerletzt, also eigentlich nie.
Liebe liebt sich selbst – du musst nichts tun – nur zulassen!
Liebe liebt nicht irgendwen, oder irgendwas – nur sich selbst – bedingungslos.
DISZIPLIN ZUR HINGABE
Hingabe zum Lebensfunken der Liebe, und nicht zur übermächtigenden Armee der Depression. Schau hin!
Und langsam, ganz sachte, zart und wärmend wird ein Fünkchen stärker. Jeden Tag ein kleines bischen.
Es weihnachtet.
Vielen Dank, dass du bis hierher gelesen hast!
Ich freue mich immer riesig über Kommentare und beantworte sehr gerne deine Fragen.
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Liebe Barbara
ein sehr schöner Artikel. Ohne meine Kleinfamilie wäre ich in meiner Depression verloren gewesen. Wie alles ist jede Depression indivduell.
Zum Glück habe ich eine tolle Therapeutin gefunden, die mir sehr helfen konnte mit ihrer Hilfe zur Selbsthilfe. Auch habe ich mich dafür entschieden, Medikamente zu nehmen. Diese Krücke war damals das Richtige für mich. Hier nachzulesen: https://blogphysioenergie.wordpress.com/2018/04/06/depressionen-2-0
Herzliche Grüße
Inge
Vielen Dank liebe Inge!
Dein erwähnter Artikel zum Thema ist mir jetzt grade auch sehr hilfreich gewesen. Und danke für deinen Hinweis mit den Tabletten – darüber habe ich bei mir ja nichts geschrieben. Wobei du natürlich Recht hast – Krücken können extrem hilfreich sein <3
Das gibt mir echt einen anderen Blick auf dieses Thema. Ich musste, weil ich schwanger werden wollte und es nicht funktionierte (ich nicht funktionierte), Hormontabletten nehmen. Diese hatten lt. Beipackzettel auch Depressionen als Nebenwirkung. In der Tat hatte ich enorme Stimmungsschwankungen, zu nichts mehr Lust, hab mich zu Hause eingeigelt und hätte nur noch heulen können. Das war dann aber auch wieder vorbei, sobald die Tabletten abgesetzt waren. Aber das ist sicher nicht zu vergleichen mit echten Depressionen. Toller Artikel!!!
Herzlichen Dank für dein Schreiben liebe Anja!
Ich denke schon dass man dein Erleben vergleichen kann! Allein der Umstand dass es durch das Absetzen der Tabletten wieder verschwand ist anders. Ich freue mich sehr für dich, dass es danach wieder gut war und keine bleibende oder wiederkehrende Problematik darstellt!
Liebste Barbara, ich bin sehr tief berührt von deinen Worten. Es fühlt sich an, als könnte ich jetzt noch ein kleines bisschen mehr verstehen. Du weißt ja…
Ich wünsche mir sehr, dass dieses Verstehen, diese Sicht, mehr und mehr besonders dort verbreitet wird, wo immer noch die Meinung herrscht, „man müsse doch nur mal in der Sonne spazierengehen, und dann wird das wieder….“. Oder dass es einfach nur „eine Phase“ ist, die vorbei geht. „Hat ja schließlich jeder mal.“
Nein, eben nicht.
Ich umarme dich.
Ich danke dir liebste Corinna, und bin sehr berührt von deinen Worten!
„Nur eine Phase“ – ja doch…irgendwie schon. Das Problem ist „nur“, wenn die Phasen immer länger werden, und irgendwann nicht mehr aufhören wollen.
„Hat ja schließlich jeder mal“ – das dachte ich auch sehr lange. Und erst allmählich merke ich dass es wirklich eben nicht so ist. Es ist kein normales traurig oder bedrückt sein. Aber für Betroffene ist es so eine Realität, dass sie glauben nur sie selbst kämen damit nicht zurecht, alle anderen lassen sich ja auch nicht so hängen. Teufelskreis Schuld….